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Wie Vitamin K1 funktioniert
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Vitamin K1 ist ein
lebenswichtiges
Vitamin. Es wirkt über den inzwischen gut untersuchten Vitamin-K-Kreislauf. Fachleute sprechen hierbei von einer Gamma-Carboylierung. Das bedeutet: Vitamin K aktiviert im Vitamin-K-Kreislauf inaktive Eiweiße, welcher der Körper selbst herstellt. Diese
vitamin-K1-abhängigen Eiweiße sind im Organismus für verschiedene lebenserhaltende Funktionen verantwortlich. Ohne die
Vitamin-K1-Aktivierung im Vitamin-K-Kreislauf sind diese Eiweiße nutzlos. Erst wenn sie im Vitamin-K-Kreislauf aktiviert wurden (carboxyliert), können sie arbeiten und damit ihre lebenserhaltende Funktion erfüllen.
Im Vitamin-K-Kreislauf werden mit Hilfe von Vitamin K spezielle Glutamyl-Reste (kurz als Gla-Reste bezeichnet) der körpereigenen vitamin-k1-abhängigen Eiweiße unter Kohlendioxideinbau aktiviert. Da
vitamin-K1-abhängige Eiweiße unterschiedlich viele Gla-Reste haben, bedarf es genügend Vitamin-K1, um alle Gla-Reste zu aktivieren. Werden nicht alle
Gla-Reste-aktiviert, arbeitet das entsprechende Eiweiß nicht optimal
Das körpereigene vitamin-K1-abhängige Eiweiß Prothrombin hat zehn Gla-Reste. Sind sie alle aktiviert, liegt ein Wirkungspotenzial von 100 Prozent vor. Sind nur neun Gla-Reste aktiviert, sinkt das Potenzial auf 75 Prozent, bei acht Gla-Resten ist das Potenzial bereits auf 20 Prozent gefallen und bei nur sechs Aktivierungen liegt das Potenzial bei zwei Prozent. Es wird deutlich, wie wichtig die vollständige Aktivierung der
vitamin-K1-abhängigen Eiweiße ist. Aus diesem Grund ist ein sehr guter bis optimaler Vitamin-K-Status wichtig, damit die gesamte Palette an
vitamin-K1-abhängigen körpereigenen Eiweißen mit allen Gla-Resten aktiviert wird.
Cumarine sind eine Stoffklasse, welche in den Vitamin-K-Kreislauf eingreifen und die Aktivierung der vitamin-k-abhängigen Eiweiße verhindern.
Cumarine sind zum Beispiel als Rattengifte bekannt geworden oder als Blutgerinnungshemmer. Werden
Cumarine unkontrolliert gegeben, z. B. in der Ratten- oder Mäusebekämpfung, so blockieren sie die Aktivierung aller vitamin-k-abhängiger Eiweiße. Da darunter auch diejenigen für
Blutgerinnung sind, verbluten die Ratten oder Mäuse innerlich.
Hat ein Hund entsprechende Rattengiftköder gefressen, hilft nur eine hohe Menge an
Vitamin K1, um den Vitamin-K-Kreislauf für die Aktivierung der vitamin-k-abhängigen körpereigenen Eiweiße wieder in Gang zu setzen. Ob Hemmung oder Sicherung des
Vitamin-K1-Kreislaufs ist einzig eine Frage der Menge. Sind die
Cumarine in der Überzahl, wird gehemmt bis zum völligen Zusammenbruch des Zyklus, ist
Vitamin K1 in bedeutende höherer Menge vorhanden, wird die Blockade gebrochen.
Nach dem gleichen Mechanismus arbeiten die Blutgerinnungshemmer. Deshalb müssen bei der alten Generation von Gerinnungshemmern immer die entsprechenden Werte gemessen werden. Drohte jemand zu verbluten, konnte ihn wie beim Hund mit
Rattengiftfraß eine hohe Zuführung von
Vitamin K1 retten. Bei der neuen Generation von Blutgerinnungshemmern ist eine solche Gegenmaßnahme (laut Klägern von daran verstorbenen Patienten) nicht möglich, weil es laut Klägerseite kein Gegenmittel gibt.
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Vitamin E ist ein „biochemischer Bruder“ von
Vitamin K1. Aus diesem Grund wird Vitamin E immer wieder versehentlich in den Vitamin-K-Kreislauf eingeschleust und bewirkt dort zum einen nichts und zum anderen verhindert bzw. reduziert es die Aktivierung körpereigener
Vitamin-K1-abhängiger Eiweiße. Das ist bei einem gut versorgten Organismus mit allen Vitaminen, vornehmlich natürlich mit
Vitamin K1, kein Problem, denn es ist genügend
Vitamin K1 vorhanden, um dennoch die Aktivierung der
vitamin-K1-abhängigen körpereigenen Eiweiße sicherzustellen.
Anders sieht es bei Patienten mit Blutgerinnungshemmer-Einnahme der alten Generation aus. Bei ihnen gehört es zum Alltag, auf
Vitamin-K1-reiche Lebensmittel zu achten, um sie nicht in zu hohen Mengen zu konsumieren. Durch die Blutgerinnungshemmer wird das Aktivierungspotenzial des
Vitamin-K1-Kreislaufs gedrosselt, sodass ein inneres Verbluten zwar noch unterbunden wird, aber eine entsprechende Gefahr des Verblutens ist nicht auszuschließen (deshalb auch die medizinische Untersuchung auf den entsprechenden Status). Nimmt ein solcher Patient hohe Dosen Vitamin
E, weil er gehört hat , dass Vitamin E sein Herz stärkt, kann die Hemmung des Vitamin-K-Kreislaufs durch die Blutgerinnungshemmer und durch Vitamin E zu einer mangelnden Aktivierung von Gerinnungseiweißen führen, wodurch es zu inneren Blutungen kommen kann.
Aufgrund einer medizinisch überwachten Blutgerinnungshemmer-Einnahme funktioniert zwar im Allgemeinen die Sicherung der Blutgerinnung, aber die anderen Funktionen der
vitamin-K1-abhängigen Eiweiße sind unterschiedlich stark reduziert. Dazu gehören Eiweiße, welche
Blutgerinnsel
abbauen, Kalzium in den Knochen einbauen (Osteoporose-Gefahr), fehlerhaft abgelagertes Kalzium in Weichgewebe und Blutadern abbauen und vieles mehr. Schwangere dürfen z. B. generell keine Blutgerinnungshemmer einnehmen wegen massiven Problemen bei der
Embryonalentwicklung, nicht zuletzt steuert das
vitamin-k1-abhängige Eiweiß „GAS 6“ die Zellkommunikation, Zelldifferenzierung und
Zellwanderung, die im Übrigen auch bei nicht schwangeren Menschen von großer Bedeutung ist. Nachfolgende Tabelle gibt einen (nicht vollständigen) Überblick über die Wirkungsorte
vitamin-K1-abhängiger körpereigener Eiweiße.
Wirkungsorte von Vitamin K1 bzw. vitamin-K1-abhängiger
Proteine
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Bindegewebe |
Makrophagen |
Gefäßgewebe |
Milz |
Gehirn |
Muskeln |
Haut |
Nebenniere |
Hoden |
Nieren |
Knochen |
Bauchspeicheldrüse |
Knorpel |
Rückenmark |
Leber |
Schilddrüse |
Lunge |
Sehnen |
Lymphknoten |
Darm |
Für eine optimale Versorgung an Vitamin K1
sind die allgemein üblichen Bedarfswerte nicht ausgelegt. Eine höhere Dosierung scheint angebracht zu sein. Eine Überdosierung an
Vitamin K1 ist bislang nicht bekannt geworden. Selbst massive Überdosierungen führen zu keinem Schaden. Zu dieser Feststellung kommt der Bundesanzeiger (Verkündungs- und Bekanntmachungsorgan der deutschen Bundesbehörden), der gebundenes, fundiertes Wissen verkörpert. Rein wissenschaftlich bestätigt der NOAEL-Wert von 30 Milligramm, dass es keine Nebenwirkungen gibt. NOAEL bedeutet: keine beobachteten Nebenwirkungen. Ein LOAEL-Wert für
Vitamin K1 existiert nicht. LOAEL bedeutet: Erste leichte Anzeichen einer Nebenwirkung.
Hat ein Hund Cumarinderivate
(Rattengift) zu sich genommen, so beträgt die
Vitamin-K1-Gabe als Gegenmittel 5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem erwachsenen Menschen von 80 Kilogramm entspräche das 400 Milligramm
Vitamin K1. Als Erhaltungsdosis werden 1,25 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht (zweimal täglich) angeführt
– siehe auch Kastentext: Wer’s genau wissen will.
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Vitamin K1 kann im Organismus in unterschiedliche
Vitamin-K2-Formen
umgewandelt werden. Dieses geschieht am Ort des Bedarfs und generell in der Leber. Verschiedene Vitamin-K2-Formen sind um ein Vielfaches effektiver als
Vitamin K1.
Vitamin K1 und Vitamin-K2-Formen, die über die Nahrung
aufgenommen werden, können nur im Dünndarm in den körpereigenen Stoffwechsel überführt werden. Vitamin-K2-Formen, die im Dickdarm durch die Darmflora hergestellt werden, kann der Organismus nicht aufnehmen. Bei Tieren ist deren Aufnahme allerdings über das Kotfressen realisierbar.
Wer’s
genau wissen will:
Vitamin K1 als Gegenmittel bei Cumarinderivat -
Vergiftungen
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Quelle: CliniPharm/CliniTox -
Coumarinderivate - Kleintier
7.3 Antidottherapie
Das Antidot der Wahl bei Cumarinderivatvergiftungen bei Kleintieren ist
Vitamin K1.
- Initialdosis: 5 mg/kg i.v., s.c. an mehreren Orten verteilt oder rektal; die intravenöse Verabreichung nur in Verbindung mit Flüssigkeit durchführen (Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion)!
- Erhaltungsdosis: 1.25 mg/kg s.c., 2mal täglich; sobald keine gastrointestinalen Störungen mehr vorliegen: 1.25 mg/kg
Vit K1 p.o., 2mal täglich mit dem Futter (der höhere Fettgehalt von Konservenfutter steigert die orale Bioverfügbarkeit)
- Dauer der Behandlung: Die Vitamin K1-Therapie muß bei
Coumarinderivaten der ersten Generation (zum Beispiel
Warfarin) über mindestens 7 Tage, bei den neueren Coumarinen der zweiten Generation (zum Beispiel Diphacinon oder
Brodifacoum) über mindestens 3 Wochen fortgesetzt werden. Der Quick-Test sollte 2 und 5 Tage nach der letzten
Vitamin K1-Verabreichung wiederholt werden. Wenn der Quick dann immer noch verlängert ist, muß die
Vitamin K1-Therapie 2 weitere Wochen fortgesetzt werden.
- Vitamin K1 führt erst nach 1-3 Tagen zur Wiederherstellung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes, da die Leber die Gerinnungsfaktoren zuerst synthetisieren muß. Daher soll bei akuten Blutungen mit stark erniedrigtem Hämatokrit in jedem Fall auch Blut oder Plasma transfundiert
werden. |
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Verantwortlich im Sinne des Presserechts für den
Inhalt des Artikes sind die Autoren
Michael von Lüttwitz und Herbert Schulz
15. August 2016
© 20. November 2016
Vitamin K ein vergessenes
Vitamin
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